Alps Traverse Gemellato* (ATG) Rosenheim - Lazise

 
ATG 1.Teil „Alpennordkamm, vergessene Wege und neue Almen“ von Flintsbach (Rosenheim) bis Maurach (Achensee) in 8 Tagesetappen

Während der Jugendzeit werden Bilder im Kopf geprägt, die im Alter erst bewusst werden, wenn man die Veränderungen wie hier  in den Nordalpen wahrnimmt. Mit 17 Jahren habe ich die nördlichen Alpen mit den schönen Landschaften, Dorfarchitekturen, Almen, Heustadeln und Naturgewalten, sowie das Skifahren und Bergsteigen kennengelernt. Nach 45 Jahren hat es mich für die Alpenquerung wieder in die Nordalpen geführt, initiiert durch eben jene 17- jährigen Gymnasiasten, die den „Fernwanderweg Rosenheim – Lazise“ von 2011-2018 ausgearbeitet und  im Frühjahr 2019 veröffentlich hatten.

In der heutigen Zeit ist es müßig noch Wanderwege zu beschreiben, deshalb verweise ich auf die GPX Files. Unserer Variante „Alps Traverse Gemellato 1.Teil“  ist von  https://www.alpenvereinaktiv.com/de/tour/alps-traverse-gemellato-atg-rosenheim-lazise-1.-teil-8-tagestouren-/43746183/herunter zu laden.

In einer Gruppe von 7 Personen sind wir in Flintsbach und über Niederaudorf gestartet. Der geänderte Streckenverlauf (ATG) ist einerseits durch die Unterkunftssituation in der Gegend andererseits durch die Covid-19 Einschränkungen verursacht. Wer diese Touren organisiert, sollte mit den Unterkunftsbuchungen beginnen.

In der ersten Etappe (ATG1-01 Tour 1.Tag) ist ein steiler Anstieg zum Petersberg zu bewältigen, der das ganze Projekt verdeutlicht: es geht immer gemeinsam vorwärts. Während sonst Wanderfreunde gemeinsam die Wege nutzten, sind es heute Wanderer und eine Vielzahl von Mountainbikern. Die schönen Wege führen durch Almwiesen mit  gelben Orchideen, entlang riesiger Bäume und mit einem tollen Blick auf den Bichlersee. Die erste Unterkunft in Niederaudorf ist klassisch, wie eben ein Alpenhof Hotel sein kann. Das Dorf lädt zu einem Rundgang zum Karmelitenkloster ein.

Auch die folgende Strecke (ATG1-02 Tour 2.Tag)  bedingt für das nächste Ziel eine Unterkunftsänderung im Vergleich zum Fernwanderweg. Wir wandern parallel zur B307 Tatzelwurm - Motorrad Eldorado - am Auerbach entlang und sind erstaunt, den erwarteten Lärm am Sonntag nur gering wahrzunehmen. Wir stellen fest, dass viele Forst- und Landwirtschaftswege durch schöne Abschnitte in der Natur  führen, was zu der besonderen Nutzung erklärt wird: geschotterte Forstwege sind „Dialogwege“, hier ist auf gleicher Höhe mit der Wanderfreundin ein Gespräch immer möglich. Dies unterstreicht auch den Titel „Gemellato“ (Partnerschaft)  für unsere „ATG“ Streckenführung. In diesem Abschnitt soll auch auf Risikostellen, nasse Wurzel bei schmalen Wegen, hingewiesen werden. Was harmlos auf der Karte aussieht, ist aber in Natur an jener 30 m tiefgehenden Stelle am Abhang sehr gefährlich.

Die beiden beschäftigten jungen Frauen im  nächsten Berghotel Sudelfeld vermitteln uns große Zuversicht auch in Covid-19 Zeiten, die eine durch ihr Studienziel nach Hamburg umzusiedeln, die andere als gelernte Schreinerin will mit der „Piaggio  APE“ durch alle deutschen Nationalparks unterwegs zu sein. Die geballte Auskunft von unseren ca. 300 Jahren Nationalparks Wandererlebnissen (Bayerischer Wald, Berchtesgaden, Boddenlandschaft – Mecklenburg, Eifel, Schleswig Holsteiner  Wattenmeer, Hainich, Harz, Hamburg-Neuwerk, Jasmund, Hunsrück-Hochwald, Kellerwald-Eder See, Müritz,  Niedersächsische Wattenmeer, Sächsische Schweiz, Schwarzwald, Unteres Odertal) prasselten auf ihr ein, dennoch war sie dankbar diese Informationen auf ihren Weg mitzunehmen.

Vom Sudelfeld startet die nächste Etappe (ATG1-03 Tour 3.Tag). Wir wählen die Schlechtwetter-Variante und fügen noch einen Schlenker durch Bayrischzell für die Bargeldbeschaffung hinzu. Die „Dialogwege“ passen zu dem Wetter. Am Sillberghaus  wird das in der Jugend geprägte Bild  einer Almwirtschaft erneuert. Hier sind den Einkehrenden das Poolbaden und die Sauna sogar in der Höhe (1000 hm) möglich, dafür ist die Alm nur am Wochenende geöffnet, was natürlich überwiegend Mountainbiker anzieht. Unsere neue Unterkunft, die Bäckeralm verkörpert auch das neue Businessmodel: keine Gastwirtschaft mehr für alle, sondern nach Absprache werden nur noch Gruppen, Firmen und Events gemanagt. Wir fühlen uns dennoch gut aufgehoben, da wir ja die Alm als Gruppe gebucht hatten. Einige besondere Eindrücke hinterlässt diese Alm: die schönen restaurierten Oldtimer in den nahegelegenen Schuppen, sowie die kleine familiäre  Kapelle, in der die Maria den Staubsauger „bewacht“.

Nun ist die Grenzüberschreitung auf dem vierten Abschnitt (ATG1-04 Tour 4.Tag) nötig. Die Pässe parat erfolgte jedoch keine Kontrolle. Der Schlagbaum war an die Seite gestellt, es war wieder alles aufgehoben. Nur wir hatten es nicht verfolgt - zu wenig relevante Informationen über WLAN gesammelt. Während des Aufstieges zum „Hinteren Sonnwendjoch“ begegnen uns überraschend nahe Gämsen und Murmeltiere. Der Ausblick am „Hinteren Sonnwendjoch“ begeistert  bei 1800 m Höhe: der Wendelstein und Wilder Kaiser sind zu sehen. Die Einkehr zur Ackern Alm wird während des Abstiegs durch eine Pferdezucht bereichert. Bevor wir in dieser ehrwürdigen Alm einchecken besuchen wir noch die Käserei Ackern Alm und füllen unseren Käsevorrat auf. Auch diese Alm wird von Mountainbikern gern genutzt. Tagesausflügler zur Käserei  bilden hier die Geschäftsgrundlage und die Unterkunft für Wanderer ist mehr ein  Hobby auf dieser Ackern Alm. Der Blick zur Viehwirtschaft macht die unterschiedlichen Jahrzehnte deutlich, es stehen heute mehr Tiere im Stall als früher. Die Ställe sind aus Beton gebaut, entsprechende Melkanlagen und Güllespeicher ergänzen auch in der Höhe die Betriebsanlagen. Es sind nur noch wenige Stallungen aus Holz mit Holzschindeldach in den Landschaften zu sehen.

Die 5. Etappe (ATG1-05 Tour 5.Tag) soll uns zum Kaiserhaus bringen, auch hier sind einige „Dialogwege“  vorhanden, die aber auch durch alte nicht gekennzeichnete Wanderwege (in älteren Karten noch vorhanden) über Weiden abgekürzt werden können und somit mit Laub bedeckte Stiege durch wunderschönen Buchenwald den Spaß erhöhen, nicht geeignet für Mountainbiker. Das Kaiserhaus empfängt uns nach 6 Stunden Gehzeit mit einem kleinen 5 Minuten Regenguss. Die Kleidung wird unter der Markise bei Kaffee und Sachertorte trocken. Im Kaiserhaus bekamen wir das „Sissi-Zimmer“, leider tropfte es bei Regen da rein. Die kaiserliche Bettwäsche in rot-weiß kariert wurde bereits vorher angekündigt und dann auch bestätigt.

Nun steht schon die 6. Etappe (ATG1-06 Tour 6.Tag) mit dem Besuch der Kaiserklamm auf dem Programm. Eine gute Stunde nehmen wir uns für die Beobachtungen des Wasserspiels und passenden Fotos Zeit. Da die nächste Unterkunft nicht so weit entfernt liegt, bewusst ausgewählt, um die nächste 7.Etappe kürzer zu gestalten, wird noch das Aschauhörndl auf dem Jägersteig  umrundet, sodass wir auch an diesen Tag wieder auf 6 Stunden Gesamtgehzeit kommen. Der Tag endet mit einem Blick in den Nebel: „es hätte doch so schön sein können“ und Regen, der die Bäche größer werden lässt. Was ist es doch schön, trocken beim Gasthaus Haaser auf der Terrasse sitzen zu können.

Ein moderater Aufstieg auf einem Dialogweg bei der 7. Etappe (ATG1-07 Tour 7.Tag) führt dann aber zu einem Gradwanderweg, der rechts und links Freiheiten zeigt, die mit einigen Latschenkiefern bestückt sind, ein Premiumweg, wunderschön. Auch hier entdecken wir wieder alte Wanderwege mit verblichenen Kennzeichnungen. Das Abkürzen der Dialogwege bringt auf dem Weg nach oben zur Bayreuther Hütte 30 Minuten Ersparnis. Auf der Strecke machen wir Erfahrungen mit Kühen, die den Weg nicht freigeben. An einer anderen  Stelle jagt ein Rudel Gämse an uns vorbei und einige Stellen auf dem Weg sind seilgesichert,  es wird alpiner. Bei der Ankunft besticht die Hütte mit dem altehrwürdigen Aussehen wie vor 45 Jahren, die Sanitäranlagen sind aber doch schon renoviert.

Eine kalte Nacht lässt den Start am nächsten Morgen zur 8. Etappe (ATG1-08 Tour 8.Tag) unbeeinflusst, wie so oft gehen wir um 9:00 Uhr los. Das Rofangebirge am Wochenende ist ein Touristen-Magnet. Da wir jedoch entgegengesetzt zur Strömung wandern, sehen wir wieder ein Rudel von 15 Gämsen, mehrere  Murmeltiere, die hinter uns her pfeifen und eine tolle Vegetation von bunten Blumenwiesen. Die Umgehung der Sagzahnspitze ist auch mit Seilen gesichert, zu Recht. Der Kalkstein hat morgens  noch Feuchtigkeit, die die Oberfläche glatt hält und somit rutschig macht, was durch eigene Erfahrung bestätigt werden kann. Am Nachmittag ist der Stein so trocken, dass wieder Haftung zum Sohlensystem besteht und die Rofanspitze problemlos erreicht werden kann. Hier auf dem Rofangebirge sind nur noch Bergpfade wie der Wiesensteig und die Mauritz Gasse. Und am Ende der Tour genießen wir den unverändert schönen Blick von der Erfurter Hüttenterrasse auf den Achensee,  das Alpbachtal und Zillertal. Vom Zillertal soll es dann im 2.Teil der Alps Traverse Gemellato weiter gehen.

Axel, Frank, Karl-Michael, Marianne, Michael, Renate und Rüdiger

 
*Angelehnt an die 35 Etappen des “Fernwanderweges Rosenheim – Lazise“,  erstellt 2011-2018 vom Sebastian-Finsterwalder-Gymnasium Rosenheim und der Herrligkofferstiftung anlässlich der 40-Jährigen Städtepartnerschaft (ISBN: 978-3-948242-00-8).

 

 

Galerie ATG 1. Teil Flintsbach - Maurach